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Schlafwagen WL4ü 3893 ISG


Bild nicht anzeigbar Am 23.6.2012 zeigt sich der ISG-Schlafwagen 3893 auf Gleis 1 am Schönberger Strand im frischen Blau. Nach diversen Diebstählen und sinnlosen Zerstörungen wurde auf die Anbringung weiterer teurer Nachgüsse des schönen großen Wappens der Gesellschaft in der Seitenwandmitte schließlich verzichtet. Foto: © W. Greiffenberger.
Technische Daten
Wagennummer3893 / 516606-42112-6 / 718071-40639-8 / 618071-41639-9
TypWL4ü
HerstellerLes Ateliers Metallurgique S. A., Nivelles
Baujahr/Fabriknummer1948 / ?
Frühere BahngesellschaftISG/CIWLT
Länge über Puffer23450 mm
Drehzapfen-/ Achsstand16000 / 2500 mm
Raddurchmesser1000 mm
Masse52000 kg
BremseO-GP-A, Spindel-Hbr.
Höchstgeschwindigkeit140 km/h
Beleuchtungelektrisch
Rahmengeschweißte Stahlprofile, mittragender Wagenkasten
Heizungelektrisch
Bettplätze 1/2/3 Kl.-/33/-/
Fahrzeuggeschichte
Dank der Hinweise eines Eisenbahnfreundes, der sich intensiv mit der Schlafwagengeschichte beschäftigt, konnten wir Anfang 2017 die Geschichte dieses Wagens weiter klären und hier erweitert dokumentieren.

Mit der Bauart Y/bois beschaffte die CIWL 1948/49 15 nahezu unveränderte Nachbauten der 82 ab 1929 gebauten Y-Wagen mit 11 Zweibettabteilen und der Nummernreihe 3888-3902. Bereits ab Mitte der 1970er Jahre begannen die Ausmusterungen. Die international tätige CIWL betrieb weltweit Schlaf- und Speisewagen sowie Luxuszüge. Die offiziell in Brüssel registrierte Gesellschaft, deren Verwaltung sich aber in Paris befand, war stets stark von politischen und nationalen Machtverhätnissen abhängig und verlor 1991 ihre Selbständigkeit mit wechselnden Besitzverhältnissen. Nach einem Höhepunkt 1931 mit 2268 Wagen nahm deren Zahl beständig ab. Ab 1980 gingen die noch verbliebenen Wagen meist auf die nationalen Bahnen über und die CIWL bewirtschaftete diese nur noch. Heute (2016) betreibt das Unternehmen unter wechselnden Bezeichnungen nur noch Restaktivitäten, eigene Wagen hat die CIWL schon lange nicht mehr.

Nachdem 1916 in Deutschland das Konkurrenzunternehmen Mitropa (in Westdeutschland zeitweilig DSG) tätig wurde, war es für die CIWL dort stets schwierig, Verträge über Schlaf- und Speisewagenläufe abzuschließen. Innerdeutsche Zugläufe bewirtschaftete die CIWL paraktisch nicht mehr, so dass dort nur noch Schlafwagen in internationalen Zügen zu sehen waren.

Als 1976 der Museumsbahnbetrieb am Schönberger Strand aufgenommen wurde, stellte sich das Problem der Übernachtung der meist aus Hamburg anreisenden Mitarbeiter heraus. Gleichzeitig wurde bekannt, dass die CIWL überzählige Schlafwagen abgeben wollte. Nach einer Besichtigungsreise nach Paris wurde 1977 der YU 3929 von einigen Mitarbeitern privat angekauft und kam als deren Nachtquartier zum Schönberger Strand. Als weiterer Bedarf aufkam, wurde 1980 der Ub 3893 hinzugekauft. Dieser war von der CIWL modernisiert worden, wobei die Einstiege an einem Wagenende wegfielen und Kunststoffplatten manche Holzflächen ersetzten, sowie alle Abteile mit 3. Bett ausgerüstet wurden. Über die Jahre wurde immer deutlicher, dass Eisenbahnfahrzeuge im Freien erheblichem Verfall unterliegen, der den Eigentümern zu schaffen machte. So wurde um 2008 eine Verkaufsmöglichkeit für ein dänisches Projekt genutzt und der 3929 abgegeben, obwohl dieser originaler erhalten war, sich aber in einem schlechteren Gesamtzustand befand. Der 3893 wurde optisch überarbeitet und wird weiterhin als Übernachtung von den Eigentümern genutzt.

Die 15 Wagen 3888-3902 wurden von der CIWL Division Istanbul-Haydarpasa eingesetzt und vorwiegend für den „Anatolie-Express”, einen Schlafwagenzug der CIWL Zwischen Istanbul-Haydarpasa und Ankara genutzt. Der 3893 kam bereits 1965 nach Westeuropa zurück, die anderen Wagen folgten erst 1972, als die türkische Staatsbahn TCDD die dortigen Schlafwagendienste übernahm. Der Umbau zum Typ U/bois (Universal) ist nicht weiter dokumentiert und erfolgte im Zeitraum 1968-71. Die 1968 eingeführte UIC-Privatwagennummer war 516606-42112-6. 1971 wurde der Wagen im Schlafwagenpool (TransEuroNacht TEN) dem deutschen Pool-Wagenpark zugeteilt. Die UIC-Nummer änderte sich dadurch in 718071-40639-8. So war er unter anderem von Hamburg aus in Autoreisezügen unterwegs. Auf einem Bild vom 21.9.1972 ist er in Milano Porta Vittoria zu sehen, wo er mit dem D1475 von Hamburg-Altona ankam und auf den D1478 nach Kassel überging.

1975 wurde der 3893 neben einigen weiteren Schlafwagen von der Deutschen Bundesbahn angekauft und von deren Tochter DSG in Hamburg-Langenfelde als Reserve vorgehalten, da die Auslieferung der neuen Schlafwagen T2s sich verzögerte. Dadurch änderte sich die UIC-Nummer in 618071-41639-9. Ansonsten blieb das CIWL-Aussehen - bis auf das entfernte aufgesetzte Wappen - unverändert. 1980 standen noch 3 ehemalige CIWL-Schlafwagen ungenutzt in Langenfelde herum, von denen der 3893 von der "Schlafwagen Eigentümer Gemeinschaft" angekauft und als Privatwagen am Schönberger Strand für Übernachtungszwecke genutzt wird. Warum der Wagen die falsche UIC-Nummer mit einer 7 an erster Stelle anstatt der richtigen 6 trägt - worauf uns erst ein Eisenbahnfreund aufmerksam machte - ist unbekannt. Auf dem Originaldia des nachfolgenden Bildes, das den Wagen noch - bis auf einen begonnenen Dachanstrich - im Übernahmezustand von der DB zeigt, ist die Nummer bereits falsch. Möglicherweise erhielt der Maler der DSG beim Ankauf des Wagens eine falsche Arbeitsanweisung und änderte nur 2 der 3 zu ändernden Ziffern, und 40 Jahre hat es niemand bemerkt...

Unbestätigt sind Vermutungen, dass der Wagen 1963 in der Türkei bei Filmaufnahmen zum James Bond Film „Liebesgrüße aus Moskau” für Innenaufnahmen verwendet wurde, wozu Veränderungen an der Inneneinrichtung vorgenommen wurden. Diese könnten eine weitere Verwendung im Plandienst verhindert haben und Ursache für die Rückkehr nach Westeuropa 1965 gewesen sein.
Museale Bedeutung
Schlafwagen sind beim Thema Personen- Nah- und Regionalverkehr ohne Bedeutung und ein deutscher Schlafwagen wäre für den Bahnverkehr in Deutschland repräsentativer gewesen. Bei manchem Besucher erweckt der Wagen allerdings Orient-Express Klischees, diese zu pflegen ist aber auch keine museale Aufgabe.
Weitere Bilder
Bild nicht anzeigbar Der 3893 am 17. Juni 1983 auf Gleis 4 am Strandbahnhof. Der Zahn der Zeit nagt insbesondere am Dach. Foto: © W. Greiffenberger.

Bild nicht anzeigbar Am 17. August 1996 zeigt sich der Wagen fast am selben Platz in besserem Zustand und hat auch wieder das CIWL-Emblem an der Seitenwand. Foto: © W. Greiffenberger.